Papierblatt – Holocaust-Überlebende berichten

Magda Goldner

Interview am 18. Juli 2013 in Kiryat Ata, Israel

Magda Goldner stammte aus Levice in Ungarn. Als ungarische Jüdin wurde sie mit ihrer Familie im Jahre 1944 nach Auschwitz deportiert. Sie überlebte mehrere Vernichtungsversuche ebenso die harte Zwangsarbeit und am Ende den sog. »Todesmarsch«. Nach über einem Jahr des Grauens konnte Magda Goldner mit ihrer Mutter und ihrer Schwester wieder nach Levice zurückkehren. 1994 wanderte sie nach Israel aus. Sie verstarb 2020.

Kurzbiografie

Bei der Ankunft in Auschwitz sagte ihre Mutter, Magda Goldner sei 14 Jahre alt. Sie wurde den Erwachsenen zugeordnet, groß und stark genug zum Arbeiten. In Wirklichkeit war sie damals 12.

Manches Mal war es reines Glück, dass sie überlebte. Zum Beispiel, als sie mit vielen anderen in der Gaskammer bereits auf den Tod wartete. Irgendwann wurden die Türen wieder geöffnet: Zyklon B war ausgegangen, das tödliche Gas.

Mit ihrer Schwester und ihrer Mutter zusammen durchlitt sie die Zwangsarbeit, den Hunger und die ständige Angst im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Als das Ende des Krieges nahte, begann der Todesmarsch. In einem Wald flohen die deutschen Wärter, als russische Soldaten anrückten. Doch auch damit war die Leidenszeit noch nicht beendet.

1949 wanderte Magda nach Israel aus, wo sie ihren Ehemann kennenlernte. Simcha Goldner arbeitete später viele Jahre lang als Reiseleiterin für deutsche Touristengruppen.

Inhaltsübersicht

00:08 - 01:06

 

Magda Goldner stellt sich vor. Seit 1949 lebt sie in Israel. Ihre Eltern hatten eine Schokoladenfabrik mit ca. 40 Beschäftigten. Sie hatte noch eine Schwester und hatte auch mitgeholfen. Sie hatte auch eine deutsche Freundin damals.

01:06 - 04:30

 

Im Jahr 1944 kamen nachts Leute. Sie war noch sehr jung und sie hat nicht sehr viel von dem Krieg mitbekommen. Einige Tage später kam ein Aufruf, dass alle Juden für eine kurze Zeit außerhalb des Zentrums in nur einem Zimmer wohnen sollen. Nach 3 oder 4 Wochen hörten sie eine Meldung, dass sie von hier weg mussten. Sie sind dann ins Ghetto gekommen und sie fanden Platz in einem größeren Haus. Für die Kinder war es zunächst nicht schlimm, da sie keine Schule mehr hatten und nun die Dinge tun konnten, die sie tun wollten.

04:30 - 08:29

 

Vor ihrem Haus stand immer ein Soldat, sodass sie rund um die Uhr bewacht wurden. Ihr Vater wurde gefangen genommen und man hat ihn nach Geld gefragt, aber er hatte nichts. Die Schwester war arbeiten. Eines Tages durften sie nur eine Tasche mitnehmen und sie kamen in eine Schule und es wurde dokumentiert, wer da ist. Danach kamen sie in eine leere Tabakfabrik und alle setzten sich auf den Boden. Ihre Familie saß zusammen. Sie wussten gar nicht, was passieren wird und man hat auch nicht darüber geredet. Das Schlimmste war, dass während dieser Woche in der Fabrik auch Menschen gestorben sind. Keiner wurde zurückgelassen, so kamen auch die alten und schwachen und kranken Menschen mit. Aber wenn diese dann starben, dann lagen die Leichen einfach rum und der Geruch wurde von Tag zu Tag schlimmer.

08:29 - 10:33

 

Als Foltermethode wurden bei ihrem Vater die Sohlen verbrannt, damit er Informationen über ihr Geld gibt. Sie erinnert sich, wie ihr Vater humpelnd zurück kam und nicht mehr laufen konnte. Eines Tages bekamen sie ein Frühstück, die Tore wurden geöffnet und sie wurden zum Bahnhof gebracht. Es standen Waggons bereit, aber keiner wusste, was als Nächstes passieren wird und man hat es ihnen auch nicht gesagt. Am Bahnhof trafen sie auf eine befreundete Familie, zu denen sie auch wichtige Sachen gebracht hatten, bevor sie ins Ghetto kamen. Ihre Mutter hat sich gefreut, dass sie zum Verabschieden kamen, aber sie fuhren auch mit. Sie durften mit ihnen in einen Waggon, in dem es mehr Platz gab, sodass man auf dem Boden sitzen konnte. Nach ein paar Stunden fuhr der Zug dann los.

10:33 - 11:29

 

Sie sind drei Tage lang gefahren. Wohin wussten sie nicht. In jedem Waggon stand ein Eimer, den man als Toilette benutzte und dann durch ein Loch im Boden ausschüttete. In anderen Waggons stand man so dicht gedrängt, dass, wenn jemand stehend gestorben ist, er nicht umfallen konnte. Sie sind in Birkenau angekommen.

11:29 - 13:05

 

Sie kamen an, die Türen wurden geöffnet und lauter Menschen in gestreiften Anzügen standen rum. Magda dachte, es seien Helfer für das Gepäck. Mit Peitschen wurden sie aus dem Waggon getrieben und verteilt. In die Mitte kamen alte Menschen und Kinder, rechts waren die Frauen und links die Männer. Dort ging der Vater mit der Menge mit und verabschiedete sich mit den Worten: »Wir treffen uns bald, passt auf euch auf!«. Das war das letzte Mal, dass sie ihren Vater gesehen hatte. Wo der Großvater hinkam, weiß sie nicht.

13:05 - 13:49

 

Sie kam zu den Kindern auf die rechte Seite. Viele Mütter haben versucht, ihre Kinder mit sich zu reißen. Dies verhinderten die Soldaten auf eine brutale Art und Weise. Ihre Mutter hatte die Eingebung, als sie von einem Soldat gefragt wurde, wie alt ihre Tochter (Magda) ist, zu sagen, dass sie 14 Jahre sei. Sie war aber erst 12. Der Soldat glaubte ihr und schickte sie zu den Frauen. Das war ihre Rettung.

13:49 - 17:32

 

Sie liefen an den Holzbaracken und den Insassen vorbei in ihr Lager. Es wurde dunkel. Magda erzählt von ihren Sinneseindrücken, z.B. Rauch und einem schlechten Geruch in der Nase. Bevor sie ins Lager kamen, hielten sie in einem großen Saal, wo sie alles ausziehen mussten und ihnen die Haare abgeschoren wurden. Junge Soldaten machten sich über die nackten Juden lustig, die versuchten, sich zu bedecken. Zudem wurde ihnen gesagt, sie sollen sich auch einen gestreiften Anzug und Schuhe nehmen. Sie durfte ihre Schuhe behalten, da sie ein gutes Profil hatten, aber sie musste es in Wasser tauchen. Die Kleidung hat nicht immer unbedingt gepasst, weswegen im Anschluss auch getauscht wurde. Bevor man diesen Saal wieder verlassen hatte, wurde einem ein großes schwarzes Kreuz mit Ölfarbe auf den Rücken gemalt.

17:32 - 19:33

 

Magda erinnert sich nicht mehr an ihre Kleidung, aber daran, dass ihre Schwester einen Ausschlag von der Ölfarbe bekam. Ihre Tante hat sich etwas selbst zusammen gestellt mit alten Bettlaken. Sie liefen durch mind. 10 weitere Tore und alles war mit elektrischen Zäunen abgesperrt. Dann wurden sie auf die Baracken verteilt. Man durfte nicht von einer Baracke zur anderen gehen. Sie kamen zusammen in eine Baracke, dort saßen andere Menschen schon auf dem Boden, weil es keinen Platz mehr gab. Sie saßen auch auf dem Boden und es war so dunkel, dass man seine eigene Hand nicht mehr gesehen hat. Magda begann zu weinen, weil sie sehr hungrig war.

19:33 - 20:02

 

Es hat ihr jemand ein Stück Brot zugesteckt und sie hat es wieder ausgespuckt, weil es hart, sauer und schlecht war. In diesem Moment sagte eine fremde Frauenstimme »Kind, du musst dich daran gewöhnen wenn du am Leben bleiben willst.« Das war ihre erste Nacht im KZ.

20:02 - 21:16

 

Täglich gab es am Morgen einen Zählappell. Dabei musste man sich in einer Fünferreihe aufstellen. Es wurden immer wieder einfach ganze Reihen herausgenommen, um weniger Leute zu haben. Die Auswahl war willkürlich. Einmal war es die siebte Reihe, dann die vierte usw. immer mit 5 Personen. Die Frauen ihrer Familie waren sechs. Und so musste immer eine von ihnen in eine anderen Reihe gehen.

21:16 - 23:34

 

Man durfte tagsüber nicht in die Baracke. Bei Nacht waren es so viele Leute, dass man wie Sardinen nebeneinander lag. Die Schuhe waren unter dem Kopf und es gab einen Topf für jede Reihe und darin wurde das Essen gelegt. Wenn einer sich nachts umdrehen wollte, musste die ganze Reihe sich umdrehen. Manchmal gab es auch Käse, den man in kleine Holzkästchen legte. Aus diesem Holz hat Magda einen Löffel gemacht, damit sie die Suppe mit einem Löffel essen konnten.

23:34 - 24:23

 

Es gab Leute, die gesungen haben oder ein Theaterstück vorgeführt haben. Man musste einfach etwas machen, erzählt Magda Goldner. Sie und ihre Freundinnen haben sich Spiele überlegt. Die Tage waren sehr lang.

24:23 - 26:02

 

Eines Nachts bekam sie Durchfall und musste auf die Toilette. Da es so voll war, war kein Fußboden zu sehen, aber sie wusste, dass am Ende ein Fenster war. Sie stand einfach auf und lief über die Leute und sprang aus dem Fenster, um auf den Holzkasten, der die Toilette war, zu sitzen. Ein Soldat sah sie beim Zurücklaufen und schrie, sie lief einfach weiter und sprang wieder zurück in die Baracke. Sie sieht das als eine besondere Kraft, die sie in jenem Moment bekam. Sie konnte zurück an ihren Platz.

26:02 - 26:59

 

Die, die die Toiletteneimer leerten, konnten manchmal Zettel in die Baracken schmuggeln mit Nachrichten, so erhielten sie eine Nachricht von ihrem Vater, dass es ihm gut gehe und er arbeite. Das war die letzte Nachricht, die sie von ihrem Vater erhielt.

26:59 - 28:29

 

Ihre Cousine bekam einen großen Ausschlag, woraufhin sie sich in die Baracke der Ärztin schmuggeln wollte, da sie diese von zu Hause kannte. Sie wurde erwischt und musste einen Tag lang auf Bohnen und Erbsen knien. Sie und ihre Schwester wollten die Cousine besuchen, aber das war unmöglich. Sie sahen auf dem Weg einen schwarzen Bus, in den man durch ein kleines Fenster schauen konnte und sie sahen, dass der ganze Bus voller nackter Mädchen war, unter anderen ihre Cousine.

28:29 - 29:53

 

Später wurden die Juden auf die Fabriken, die Arbeiter brauchten, verteilt. Ihre Tante wollte so lange bleiben, bis ihre Tochter zurückkommt und ihre Mutter beobachtete, dass nur die Schwachen zurückblieben. So entschied sie sich, mit ihren Töchtern zu gehen. Die starken Frauen wurden aussortiert und sie wurden zur Arbeit geschickt. Sie durften nichts mitnehmen und man hat sie auch nicht informiert, wohin es geht.

29:53 - 30:56

 

Sie wurde von einem Arzt untersucht. Da sie einen Blähbauch vor Hunger hatte, dachte der Arzt sie sei schwanger und schickte sie zurück, um vernichtet zu werden. Es ist ihr gelungen, als der Arzt abgelenkt war, wieder zurück zu gehen zu ihrer Mutter und Schwester. Er hat es nicht bemerkt. Sie verabschiedeten sich von der Tante und der zurückgebliebenen Cousine und gingen durch das Tor. Magda erinnert sich an Musik von guten Musikern und ihr Ziel war letztenendes Auschwitz.

30:56 - 32:51

 

Sie wurden in einen verhältnismäßig kleinen Saal mit runden Fenstern an der Türe und Röhren an den Wänden gebracht und saßen dicht nebeneinander. Es wurden viele Menschen hineingezwängt. Magda schaute hinaus und sah, dass die Deutschen hektisch an ihnen vorbei liefen. Sie bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Zyklon B war ausgegangen. Sie öffneten die Türe und brachten sie in einen anderen Saal. Dieser war auch mit Röhren, aber nicht so vielen wie zuvor, bestückt. Dort waren sie bis zum nächsten Morgen.

32:51 - 33:49

 

Man hatte sie dann am nächsten Morgen herausgelassen und zum Bahnhof geschickt. Ihre nächste Station war Ravensbrück, wo sie drei Tage mit Essen versorgt wurden, Betten zum Schlafen bekamen und gesundheitlich untersucht wurden. Sie hatten alle sehr viele Flöhe und Läuse.

33:49 - 35:37

 

Von dort hat man sie dann wieder mit dem Zug nach Berlin Schönholz gebracht. Dort gab es eine Fabrik, in der Flugzeugteile hergestellt wurden. Sie wurden in Baracken untergebracht und es gab dreistöckige Betten mit jeweils zwei Decken. Es gab auch einen Ofen. Zweimal am Tag gab es einen Zählappell, vor und nach der Arbeit. Sie mussten 10-15 Minuten zur Fabrik marschieren und währendessen mussten sie deutsche Lieder singen und wurden von den Anwohnern beobachtet. Sie konnte zu ihrem Glück gut deutsch, denn wer nicht gesungen hat, wurde geschlagen.

35:37 - 37:37

 

In der Fabrik hatte jeder eine Arbeit bekommen. Ihre Mutter musste Teile kontrollieren und konnte somit sitzen. Der Aufseher ihrer Mutter hatte Reste von der Küche mitbekommen und hat ihr davon auch manches Mal etwas zum Essen gegeben. Goldner arbeitete an einer großen Maschine in einem anderen Saal. Ihre Schwester war an einer vollautomatischen Maschine, die auch nicht ungefährlich zu bedienen war und wieder in einem anderen Saal stand. Zum Mittag gab es Gemüsesuppe, aber man brauchte Glück um etwas von dem Gemüse abzubekommen.

37:37 - 38:17

 

Man hat von sechs Uhr früh bis sechs Uhr abends gearbeitet. In der zweiten Woche von sechs Uhr abends bis sechs Uhr früh. Die Nachtarbeit war sehr schwer und Goldner ging einige Male auf die Toilette zum schlafen, aber sie wurde immer von ihrem Chef zurückgeholt. Er hat sie am Kragen gepackt und gab ihr den Befehl weiterzuarbeiten. Sie hatten dort einige Monate verbracht.

38:17 - 39:16

 

Was sie die ganze Zeit bei sich hatte, waren die Schuhe, die sie noch von zu Hause hatte und behalten durfte. Sie waren so abgelaufen, dass sie schon keine Sohlen mehr hatten, bis sie beim Zählappell gebeten wurde, die Schuhe abzugeben, man würde sie reparieren. Sie glaubte nicht daran, aber sie bekam tatsächlich immer ihre Schuhe wieder zurück.

39:16 - 40:48

 

An einem Tag hat sie auf dem Hof geschaut, ob sie etwas zu Essen klauen kann. Ihr rollte eine Karotte entgegen, sie hob sie auf und versteckte sie in ihrem Ärmel woraufhin sie erwischt wurde. Ihre Strafe war, dass ihre schon 2-3 cm langen Haare wieder komplett abgeschoren wurden. Alle mussten dabei zusehen. Sie hatte nicht einmal geweint. Sie meint, man war schon so »ohne Gefühle«.

40:48 - 41:47

 

Dann hörten sie Flugzeuge. Man durfte plötzlich nicht mehr nachts arbeiten und dann irgendwann gar nicht mehr. Das Licht musste ausbleiben und sie spürte schon, dass etwas zu Ende geht. Die Fabrik hat auch geschlossen und dann sind sie 3 km außerhalb Berlins zum Arbeiten gegangen. Unterwegs sind sie an einer großen Brotfabrik vorbei gelaufen und nach Möglichkeit atmeten sie tief diesen Geruch von frischen Brot ein. Ihre neue Arbeit war dann das Graben von Schanzen auf einem Feld.

41:47 - 42:38

 

Die Deutschen hatten immer eine Peitsche in der Hand und die Arbeit war körperlich sehr anstrengend. Es war keine Frauenarbeit, weil die Gräben 3 Meter tief sein mussten.

42:38 - 43:17

 

Eine jüdische Frau wurde verrückt und die war dann wie ein Spielzeug für die Soldaten. Sie lachten über sie und schikanierten sie. Eines Tages hat man ihr einen sehr großen Stein in die Hand gegeben und ihr gesagt sie soll ihn tragen. Sie fragte unterwegs, ob sie noch weiter gehen soll und die Soldaten schickten sie immer weiter bis sie sie irgendwann abgeschossen haben.

43:17 - 45:26

 

In der Nähe von dem Feld, auf dem sie gegraben hatten, waren Schienen und eines Tages kam ein Zug mit lauter ungarischen Männern. Sie und ihre Mutter wollten nach dem Vater sehen, ob er vielleicht dabei war und noch am Leben ist. Da die deutschen Soldaten sich für jeden Tag eine Person zum Schlagen ausgesucht hatten, war es dieses Mal die Mutter, weil sie stehen geblieben war, als der Zug an ihnen vorbei fuhr. Sie wurde mit einer Peitsche, die nicht nur aus Leder war, sondern auch aus Draht, am Kopf und überall geschlagen. Sie floh in die Schanze, musste aber heraus. Die Mutter überlebte das und lief weiter.

45:26 - 46:15

 

Ihre Schwester hatte eine andere Arbeit bekommen, weswegen sie sich erst wieder abends beim Zählappell sahen. An diesem Tag fragte ihre Schwester wo »die Mutti« sei und sie hat sie nicht mehr erkannt. Die Mutter war grün und blau geschlagen und voller Blut. Sie durfte sich auch nicht einen Tag erholen, sondern musste jeden Tag wieder mit aufs Feld.

46:15 - 47:53

 

Eines Tages hörten und sahen sie russische Flugzeuge am Himmel. Der Hauptaufseher hat eine Rede gehalten, dass er alles in der Hand hat und auch über deren Leben entscheidet. Ein paar Tage darauf, hat man zu einer ungewöhnlichen Zeit den Zählappell gemacht, jeder bekam einen Stoffbeutel mit einem Brot und Kartoffeln und man öffnete die Tore und man durfte gehen. Der Totenmarsch begann.

47:53 - 49:18

 

Der Totenmarsch war auf einer bestimmten Straße und alle Insassen wurden aus unterschiedlichen KZ und Arbeitslagern befreit. Es waren hunderte von Menschen und man konnte kaum eine Pause machen. Es waren auch deutsche Aufseher dabei und man durfte höchstens mal kurz eine Pause machen. Eine deutsche Aufseherin half ihrer Mutter. Es gab auch da noch ein bisschen Menschlichkeit unter den Deutschen.

49:18 - 50:27

 

Sie kamen in einen Wald, wo sie Hilfe vom Roten Kreuz bekamen. Sie bekamen ein Paket mit allem, was stak macht: Schokolade, Kekse, usw... Man sollte immer zu zweit sein, weswegen sie ein Zigeunerkind an die Hand nahm. Nach einer Stunde hat man sie dann wieder weitergetrieben. Man musste aufpassen, das es niemand klaut, denn jeder hatte unglaublich viel Hunger und sie wollten nicht alles auf einmal aufessen.

50:27 - 51:34

 

Nach ein paar Tagen gab es eine weitere Pause. Das war auf einem Bauernhof und die Frauen konnten in den Ställen auf Stroh schlafen und sich ausruhen. In dieser Nacht hörte die Mutter durch die Holzwand, dass auf der anderen Seite ungarische Männer redeten. Sie schlich sich heraus und ging in den Stall der Männer, um sie zu fragen ob sie ihren Mann kennen und ob er noch lebt. Sie dachten, das wäre eine alte Frau, obwohl sie um die 40 Jahre alt war. Sie wussten nichts von Magdas Vater, aber einer unter ihnen wusste, dass der Bruder der Mutter gestorben ist.

51:34 - 52:37

 

Am nächsten Tag, als es hell wurde, sah man, dass in der Nähe ein Kartoffelfeld war. Einige gingen auf das Feld, um sich Kartoffeln zu holen. Die Soldaten schossen auf das Feld. Eine 15-jährige Freundin bekam einen Schuss ab, der aber nicht gefährlich war. Sie liefen weiter, bis sie an einen Wald kamen und die Soldaten sagten, sie können sich hier wieder hinlegen und ausruhen. Am nächsten Morgen waren alle Deutschen weg. Niemand war mehr da.

52:37 - 53:15

 

Am Anfang dachten sie, es wäre eine Falle. Nach und nach gingen die Leute aus dem Wald und es passierte nichts. Sie sahen von weitem eine Scheune und da gingen sie hin. Sie waren kaum drin, da kamen russische Panzer. Das war das Ende des Krieges.

53:15 - 56:39

 

Sie liefen mit der Masse mit, um irgendwo anzukommen. Ab und zu gingen sie in die Häuser, aber die waren alle verlassen und leer. Manchmal fand man noch Essen in den Tellern auf dem Tisch. Sie trafen auf zwei ungarische Männer mit einer Kutsche und sie durften mitfahren. Russische Soldaten erschossen einen von den beiden, weil sie betrunken waren. Sie liefen also wieder zu Fuß der Menge hinterher. Bis sie durch ein Dorf gingen, wo eine russische Kaserne war. Dort bekamen sie etwas Fleisch von einem Tier. Sie gingen einfach in ein leerstehendes Haus und kochten es dort. Sie waren eine Gruppe von ca. 10 Personen.

56:39 - 59:23

 

In der Nacht haben sie sich in dem Haus so aufgeteilt, dass die Männer in dem vordersten Zimmer schliefen, weil die Russen an den Frauen interessiert waren und dann erst haben die Frauen in den hinteren Zimmern geschlafen. Dann haben sie einen Schrank vor die Tür zu diesem Zimmer gestellt, damit keiner reinkommt. In der Nacht kam ein betrunkener russischer Soldat und schob den Schrank weg. Alle Frauen sind aus dem Zimmer geflüchtet, aber Magda schlief tief und fest und bekam nichts mit. Sie wachte an dem Spuckgeräusch des Soldaten auf, sah aber nichts weil es so dunkel war. Sie bewegte sich und wollte fliehen, aber sie sah nichts. Der Soldat bemerkte, dass jemand im Zimmer war und suchte nach ihr. Schließlich gelang es ihr auf allen Vieren aus dem Zimmer herauszukommen. Nach diesem Erlebnis weinte sie stark. Das war ein Schock. Sie war 13 Jahre zu dieser Zeit.

59:23 - 01:01:14

 

Danach kamen sie in einen anderen Ort, vielleicht Prenzlau, und fanden eine Schule, die unter belgischer Besatzung stand. Man konnte dort hin, um ein bisschen Wasser zu holen. Ihre Mutter wurde dann von einem belgischen Offizier angesprochen und zum Essen eingeladen. Das erste, was ihre Mutter zu ihren Töchtern sagte, war, dass sie gar nichts zum anziehen hat. Sie sind zu dritt hingegangen und alles, was sie von dem KZ und den Deutschen erzählten, wussten die Belgier nicht. Es wurde alles geheim gehalten.

01:01:14 - 01:01:23

 

In diesem Ort waren sie einige Tage und ihre Schwester hat sich mit einem Soldaten befreundet und sie sind viel spazieren gegangen und genossen die gemeinsame Zeit.

01:01:23 - 01:02:37

 

Dann kamen sie mit Lastwagen über die Grenze nach Prag. In Prag wurden sie registriert und bekamen eine Karte. Sie haben Geld für eine Fahrkarte bekommen und so konnten sie nach Hause oder irgendwohin fahren. Man hat also nicht kaufen können, was man wollte, sondern jeder hat das Gleiche an Eiern, Mehl usw. bekommen. Und dann sind sie zum Bahnhof.

01:02:37 - 01:04:03

 

Sie wollten zuerst nach Bratislava, weil sie dort eine Tante hatten. Diese Tante bot ihnen Kleidung an und sie konnten sich waschen. Dort blieben sie ein paar Tage. Sie packte einen großen Koffer für sich und dann sind sie zum Bahnhof, um weiterzureisen. Im Zug kamen russische Soldaten, die ihnen den Koffer wieder wegnahmen und aus dem Fenster schmissen. So machten sie es mit allem Gepäck, gingen aus dem Zug und dann fuhr er erst los.

01:04:03 - 01:06:31

 

Als sie zu Hause an ihrem Haus ankamen, stand es noch ganz da und es waren teilweise auch noch die Möbel darin zu finden. Man erzählte ihnen, dass höhere Beamte vom Militär in ihrem Haus wohnten. Später wurden die Möbelstücke, die sie nicht kannten, auch von anderen abgeholt. Da sie kein Geld hatten und etwas zu essen brauchten, gingen sie in einen Hof, der damals im Ghetto war und dort wurde Essen verteilt. Ihre Tante, die im KZ war, kam mit nur einer Tochter wieder zurück. Sie begannen wieder zu Hause zu leben.

01:06:31 - 1:11:33

 

Magda Goldner lebt seit 1949 in Israel, ihr sind keine Freundinnen geblieben, weil diese alle zu jung waren. Magda war sehr groß und das war ihr Glück. Ihre Schwester ist später nach Prag und hat geheiratet und ihre Mutter kam später nach Israel. Sie hat zweimal geheiratet. Ihr erster Mann nach dem Krieg war ein Witwer aus der Fabrik. Die Mutter baute die ganze Fabrik alleine wieder auf. Nachdem Magda nach Israel ging, sind die Kommunisten in die Slowakei gekommen. Daraufhin verloren sie wieder alles. Die Mutter kam dann nach. Magda war Zionistin und ging deswegen nach Israel. Sie kam in einen Kibbuz, wo sie auch ihren Mann kennenlernte.